31.01.02


Gestern:

Durch den Kreuzgang, ein langer Weg, links abbiegen, ich werde in eine Halle geführt, hier habe ich mich also aufzuhalten. Noch nie war ich hier und kenne es doch, erinnere mich schemenhaft. Langsames Herantasten.

Kopf in den Nacken legen, um Athena zu begrüßen, freundlich lächelt sie mir von oben herab zu. Meine Augen treffen die ihren und ich sehe, sie ist blind. Wie auch all die andren, in deren Kreis ich stehe, blind sind, die Musikanten, die spielenden Kinder, die Gärtnerin, blind und stumm beobachten sie mich und wispern murmelnd. Ich trete aus dem Kreis und werde wieder die Wächterin.

Eine Frau macht sich nicht die Mühe, zu Athena hoch zu schauen. Ihr entgeht die Blindheit der andren, so bleibt sie es selbst, blind für das Erkennen, daß im Kreis die Rollen vertauscht sind.





Doch, es hat mit mir zu tun. Wenn ich lese


"Aber es gab mich auf einmal. Ich fing auf einmal wieder an zu leben. Ganz winzig und elend kroch ich zu mir zurück. Irgend etwas in mir begann sich zu wehren. -...- Und für mich höchste Zeit, mich aus meiner Lächerlichkeit zu erheben. Höchste Zeit, nicht mehr in Teiche zu starren, nicht mehr an Tod, Untergang und Selbstmordvorhaben zu denken. Höchste Zeit, mich zurückzuholen. Versunken in Philosophien und Theorien, war ich in einem Stuhl gelehnt und hatte durch ein großes quadratisches Fenster über die Dächer hinweg zu einem Berghang hinübergeschaut. Jede Regung war mir überflüssig vorgekommen. Und auf einmal gab es etwas, das aus mir selbst kam. Eine winzige, schüchterne Stimme, die mir sagte, du musst es noch einmal versuchen. Du musst zu Dir zurück."


, wenn ich das lese, 1982 von Franz Innerhofer in "Der Emporkömmling" geschrieben und zugleich weiss, daß sich Franz Innerhofer letzte Woche umgebracht hat. 20 Jahre dazwischen.



29.01.02


Nach der dritten tränenreichen Nacht fasste die Frau den Entschluß. Es war Zeit für Veränderung, sie machte sich auf und suchte Stattdessen fand sie und dem ging sie entgegen.





Frühmorgens bei geöffneter Balkontür, nur mit einem Slip bekleidet, auf der Couch sitzen, Kaffeetrinken, rumgucken, wachwerden, und das alles ohne zu frieren: Es wird Frühling. Mich begeistert das grad nicht, doch ist davon auszugehen, daß ich mich auch diesmal dran gewöhnen werde.





Einfach nicht beirren lassen. Einfach weiter gehen, ab und zu innehalten, weitergehen, mal nach links und rechts schauen, nichts zwingt mich zum Richtungswechsel, doch hab ich die Freiheit der Wahl, und weitergehen, einfach nicht beirren lassen. Eigentlich ganz einfach.





Das Geschirr ist längst gespült, grad läuft die Waschmaschine mit Bettwäsche und Handtuch darin, Bücher wurden aufgeräumt. Die außen hinterlassenen Spuren werden blasser.





Gestern im chat über Pippi Langstrumpf ("Wie hieß der Nachbarsjunge?") und Kalle Blomquist geredet, da wusste ich noch nicht, daß Astrid Lindgren tot ist.


24.01.02


Bevor ich mich für ein paar Tage verabschiede, noch eine kleine Alltagsgeschichte, die letzten Montag genauso passiert ist:
Bei der Oma zum Mittagessen, ich sitze ihr gegenüber, sie guckt mich an. Meint, ich erinnere sie an wen, an einen Sänger. Sänger? Ja, ein berühmter aus dem Fernsehen, der Name fällt ihr nicht ein. Mein Sohn und ich überlegen, welcher Sänger könnte Ähnlichkeit mit mir haben? Die Haare hätte er so wie ich, versucht sie, fast schon verzweifelt, uns Tips zu geben. Wir raten und raten, alles falsch. Er singt englisch. Weiterraten, falsch liegen. Die Oma steigert sich rein, wir müssen drauf kommen, wir kennen den, alle kennen den, diesen Sänger mit dem blöden Gesicht.

Eine Weile später fanden wir raus, daß sie Michael Jackson meinte. Und es ja eigentlich nur die in´s Gesicht fallende Haarsträhne war, die die "Ähnlichkeit" verursachte.



21.01.02


Vor einigen Tagen empfand ich es mit einemal unerträglich, daß zwar die längst verwelkten Rosen eines längst Verflossenen immer noch Platz in der Wohnung haben, meine Bücher jedoch nicht. Begann die Rosen wegzuwerfen, den Schrank sauberzumachen und die Bücher darauf zu ordnen. Anschließend überlegte ich mir, daß der Brotkasten auf dem neuen Tischchen in der Küche besser aufgehoben wäre als im Wohnzimmer und räumte ihn um. Das schuf Platz auf dem Sekretär, den ich nun gründlich abstaubte und Dinge darauf plazierte. Meine Wohnung ist voll mit Dingen (vor vielen Jahren, noch in der alten Wohnung meinte mal jemand, der mich das erste Mal besuchte: "Hier sieht es aus wie in einem Museum" - Was wohl abfällig gemeint was, betrachte ich noch heute als Kompliment). Nach dem willkürlichen Aufstellen der Dinge auf dem Sekretär betrachtete ich mein Werk aus der Entfernung und stellte fest, daß es ein Sammelsurium ist, die Dinge haben nur eine Gemeinsamkeit, ich kann zu jedem eine Geschichte erzählen. Die roten Glasväschen hab ich bei meiner Mutter vor einem Ende in der Mülltonne bewahrt, das türkise Glasschälchen auf dem Flohmarkt im Westerwald erstanden, zusammen mit Gregor. Ich mag buntes Glas. In einer der Vasen stehen, auf Schaschlikspießen, Katze und Maus, von meinem Sohn im Kindergarten oder -hort gebastelt. Das tote Tier, nun auf Watte gebettet in einer Plastikdose, fand Dennis im Garten seiner Großeltern, für die Parfümflasche, die daneben steht (Dior), gab ich mal in einem Anfall von Wahnsinn mein letztes Geld aus, ein wunderschöner Miniflakon (das Parfüm ist noch drin, mir liegt wenig dran). Auch vom Flohmarkt stammt das Uhrwerk und bis heute weiss ich nicht, welches Teil die Unruh ist. Das sind nur einige der Dinge auf dem Sekretär, dazwischen liegen Steine aus Elba und bunt verpackte russische Plätzchen, eine Karte von Isa steht im Kartenhalter mit dem Herz, und die Dinge auf dem Sekretär sind nur ein kleiner Teil der Dinge in der Wohnung, die ich jetzt Lust habe, abzustauben und anzuschauen, und das alles nur, weil ich endlich diese Rosen weggeschmissen habe.





Sisyphos schoss mir durch den Kopf, einfach so. Was weiss ich aus der Erinnerung? König von Ithaka (?), bestraft zum ewigen Rollen des Steins. Ewiges Auf und Ab. Vermutlich hofft er jedesmal auf´s Neue, wenn er sich dem Gipfel nähert. Und ahnt, daß es zurück gehen wird. Warum fängt er immer wieder von vorne an? Teil der Strafe, innerlich getrieben zu sein? Unermüdlicher Kämpfer? Oder bleibt ihm nichts andres übrig (was sollte er unten auch tun ...)?

Schwab´s Sagen sind unauffindbar, ich krame in Erinnerung, die sich mit Hirngespinsten vermischt. Was ist der Stein? Bin ich Sisyphos oder der Stein oder beides zugleich? Kann ich den Stein umgehen, zertrümmern? Aber was wird aus mir, wenn er Teil von mir ist? Oder wird er mich eines Tages überrollen? Ich hab nie Interpretationen gelesen, werde das aber demnächst tun.

Mittlerweile im Netz gestöbert: Nicht Ithaka, Korinth, und ein Kommentar von Camus (da ist er schon wieder, ich hoffe, er wird nicht so aufdringlich wie Herr K.): "Sisyphos, der ohnmächtige und rebellische Prolet der Götter, kennt das ganze Ausmaß seiner unseligen Lage: über sie denkt er während des Abstiegs nach. Das Wissen, das eigentlich eine Qual bewirken sollte, vollendet gleichzeitig seinen Sieg. Es gibt kein Schicksal, das durch Verachtung nicht überwunden werden kann. Wenn man so zuweilen in den Schmerz hinabsteigt, dann auch in die Freude, damit wird nicht zuviel behauptet."





Tagelang Gedanken im Kopf, und wenn sie das Gefühl vermitteln, fertig gedacht zu sein, ist alles schon wieder ganz anders.



20.01.02


Vor 60 Jahren ...



17.01.02


Schön ist das, einfach nur schön, wenn am Nachmittag das Telefon schellt. Und einer der wenigen Menschen, die man in all den Jahren als Freundin bezeichnet hat, am andren Ende ist. Einfach Hallo sagt. Nach ganz kurzem Stutzen und Unglauben erkenn ich sie und nach kurzem Fremdeln ist es ganz normal, mit ihr zu reden. Als wären die vergangenen drei Jahre der Funkstille nicht gewesen.

Sie und andre mochten mich damals wohl. Vielleicht haben sie den vergrabenen Menschen in mir gesehen, der mittlerweile manchmal aus mir rausguckt und es wagt, Hallo zu mir zu sagen. Ziemlich mutig. Manchmal möchte ich nichts andres als ihn kurz und klein schlagen.





Wahrscheinlich kennt jeder dieses Straucheln. Wenn man während des Gehens erkennt, daß der nächste Schritt einen unweigerlich auf einen Hundehaufen, eine tote Maus oder etwas anderes treten lässt, etwas, auf das man unter keinen Umständen treten will.

Kurz nach Weihnachten war es und kurz vor Ladenschluß, als ich auf der Kreuzung vorne an der Ecke in dieses Straucheln geriet. Ein Engel lag auf der Straße. Engel soll man nicht treten. Erst während des Weitergehens begann ich mich zu wundern, ein Engel auf dem Asphalt?, ich muss mich getäuscht haben. Kehr wieder um und schau bewusst die Kreuzung an. Seh nur Schnee und Matsch und Straße, geh endlich zum Einkaufen.
Nachdem ich auf dem Rückweg die Kreuzung überquert habe, dreh ich mich noch mal um und da liegt er, niedlich eingebettet in eine Schneelandschaft, umgeben von Wolken und Bergen. Ihn nur nicht mehr aus den Augen verlieren!, zu Boden starrend hol ich die Kamera aus der Tasche, ein Auto nähert sich, im Gemüsegeschäft drüben geht das Licht aus und ich steh da und photographier die Straße.

Auf der Straße ist er schon lange nicht mehr zu finden, vielleicht stillt er den Durst der Wiese nebenan?, aber hier bleibt er.

Auch die Welt, getaucht in Zuckerkristalle, ist hochgeladen.



16.01.02


Es geht mir recht gut, leider bin ich viel zu müde, um es zu bemerken.



13.01.02


Ich ahnte ja, daß meine Wünsche und Vorhaben für den heutigen Tag illusionär sind. Die orgiastische Nachbarin hinderte mich am Ausschlafen, der drückende Magen am Wiedereinschlafen, die Wohnung schrie "Räum mich auf, räum mich auf!" (meinen wehen Ohren zuliebe gab ich dem nach) und meine Oma rief zwischendurch auch an.

Mein Sohn, der hier mitliest, beschwerte sich. Zu Recht, wie ich finde, deshalb werde ich das Kind in Zukunft als das benennen, als das er sich fühlt, nämlich als mein Kind, meinen Sohn oder Fab.

Ich mochte es als kleines Kind schon nicht, wenn meine Eltern von mir als "ihrem Kind" sprachen. Das fühlte sich nicht gut an, ich wollte ihnen nicht, wollte niemandem "gehören". So habe ich, ohne viel darüber nachzudenken, es anders gemacht, um nicht ebenso ungute Gefühle bei meinem Kind hervorzurufen wie sie bei mir hervorgerufen wurden. Und genau das ist passiert. ("Man meint, Du redest von irgendeinem Kind, vielleicht aus Schleswig-Holstein, oder von dem Sohn Deiner Mutter oder sonstwem!")

Gut, daß Reden darüber und, in dem Fall, Verändern, möglich ist. Er ist 14 und manches ist kompliziert genug. Und wirklich schön, daß ich ein Kind habe, das gern mein Kind ist :-)

(Dieser Eintrag wurde vor dem Hochladen von Fab geprüft und mit einem Lächeln ("nun ist es keine Diskriminierung mehr") für o.k. befunden.)



12.01.02


Und morgen möchte ich ausschlafen bis ungefähr 13 Uhr, anschließend ein Mittagsschläfchen halten, dann ein wenig ausruhen, bevor ich mich schlafen lege. Mein Magen hat den Mund zu halten und die Wohnung soll sich selbst aufräumen, das Kind kann seinen Vater besuchen und das Telefon wird abgestellt.




Das Aufstehen heute morgen um halb 8 h war nicht einfach, es fehlte der Druck des Aufstehen-Müssens (was nicht heißt, daß ich gern oder leicht aufstehe, wenn ich muss). Hab den Sohn geweckt, um 9 h stiegen wir in den Zug und waren dann drei Stunden unterwegs. Es war eine angenehme, sogar schöne Fahrt, nur zweimal umsteigen, nahezu leere Züge, trotz 35-Mark-Ticket, welches mittlerweile für 21 € zu haben ist. Während der Fahrt begann ich mich mehr und mehr zu freuen, wir haben es tatsächlich geschafft, wir sind aufgestanden und zum Zug, anstatt zu verschlafen, es wieder zu verschieben oder ganz zu streichen. Kurz nach 12 stand ich dann vor dem Bau, den zu sehen ich seit weit über einem Jahr wünsche. Nicht übel, der Bau, doch wäre ich nur des Hauses wegen gefahren, ich glaube, ich hätte Enttäuschung verspürt. Zu hochgelobt, auf Photos sehr geschickt und an der Wirklichkeit vorbei in Szene gesetzt, nunja, immehin nicht übel.

Reingehen, umgucken, Eintrittkarten kaufen, Taschen und Jacken in die Schließfächer, während all dem bleibt der nicht-übel,-aber-...-Eindruck bestehen. Treppen hoch, noch mal orientieren und dann, wie vor Wochen schon angekündigt, da rein. Das wirklich Schöne, innendrin Beeindruckende in Worte zu fassen fällt mir oft schwer, so auch jetzt. Supertoll? Ultrageil? Ich vergaß Raum und Zeit? Die Ausstellung wärmte mein Herz und erquickte meinen Geist? Wunderschöne und interessante Exponate, unaufdringlich gehängt und auf eine zwar fragwürdige, mir jedoch sehr zusagende Art präsentiert? Ich schmunzle grade, all das stimmt und trifft es dennoch nicht. Aber was grüble ich, ich bin einfach froh, es gesehen zu haben.

Wir verschnauften dann im Bistro, bevor wir uns auf den Weg in die Sammlung machten. Wenn ich mal wieder einer Ausstellung wegen in´s Schäfermuseum fahre, werde ich mir die Sammlung nochmal ansehen, am liebsten würde ich sie morgen schon wieder sehen. Es ist schön dort.

Ach, was für ein schöner Tag. Auch und grade, weil ich ihn mit dem Kind verbracht habe, der keine Minute gelangweilt war, wir hatten viel Spaß und es war interessant und wunderschön und zum Schluß gab es Käsespätzle.

Der link zum Museum funktionert bei mir nur mit netscape und die seite ist *g* nicht ganz übel, aber einen kleinen Einblick bietet sie doch.



11.01.02


Vielleicht schreibe ich eines Tages eine Autobiographie. Die letzten 4 Tage bekommen dann ein eigenes Kapitel, der Arbeitstitel lautet "Drachen, Dürer, Tod und Teufel". Ich könnte nicht jedes bemerkenswerte Erlebnis dieser vergangenen Tage beschreiben, sonst würde ein eigenständiges Buch draus werden, muss mich entscheiden, wovon soll in diesem Kapitel berichtet werden?

Da wird die Rede sein von Carl Hauptmann, Anna Ancher und Dachau, von Majolika, dem Dreieck im Kreis und Schinken. Der Leser wird erfahren, warum jemand mit einer orangefarbenen Plastikgiesskanne in der Hand den Heiligen Eligius grüßt, und das dreimal. Ich werde erzählen von Bienen mit 8 Beinen und ganz besonderen dunkelhäutigen Englein, und von Herrn S., der seit 30 Jahren den Schlüssel von Herrn R. hat (Zufall, daß ich Herrn R. seit 30 Jahren kenne). Dann sind da noch etwa 200 Bilder einer Stadt, dazwischen ein 2.Januar.

Ich bin geflutet, beinahe ertrunken in Bildern, Mythen, Definitionen. Liege nun nach Luft japsend im Trockenen. Nein, ich sitze auf meiner Couch im Kalten (die Heizung funktioniert nicht) und versuche, abzuschalten.



08.01.02


Mein erster Gedanke beim morgendlichen Blick aus dem Fenster:
"Die Welt wurde über Nacht schwarz-weiss gemacht."

Mein erster Gedanke beim Betreten der Draussen-Welt:
"Auch die farbigen Stellen sind nun unbunt."

Mein erster Gedanke beim genauerem Hinsehen:
"Sieht aus wie Schimmelpilz ..."

Der nächste Gedanke:
"Igitt - Puderzucker würde sich hübscher anhören - (wie abgedroschen und auch nicht wirklich treffend) -
Sieht aus wie Zuckerkristalle am Cocktailglasrand."

Photos werden, falls tauglich, nachgeliefert.





Vorgestern, ein Vogel auf einer weiten Schneefläche, unberührtes glattes Weiß und mittendrin saß dieser Vogel, sehr groß, mit spitzem Schnabel und rotem Hinterkopf bis zu den Hüften im Schnee (hat ein Vogel Hüften?) - Er saß bis zum Bauch im ungefähr 20 cm tiefen Schnee. Den Kopf ständig hin und her werfend verrenkte er sich sehr, und dann schrie er, laut und kreischend. Das ging lange so und ich fürchtete, er sei festgefroren, es war ein kalter Tag, ich hätte mich gern um ihn gekümmert, doch da war eine Mauer zwischen der zugeschneiten Wiese und mir. Während ich überlegte, welcher Art dieser Vogel sein könnte, stob er davon, große Flügel flatterten und während des Landeanflugs an den nächsten Baum erkannte ich ihn als Specht. Ein bißchen Hämmern, dann weiter in die Krone des Baums nach oben, ich verlor ihn aus den Augen. Eine Weile später saß er wieder im Schnee, an der selben Stelle und vollführte seine Eskapaden. Es wiederholte sich alles mehrmals, rein in den Schnee, rauf auf den Baum. Als ich am späten Nachmittag noch mal zu der Stelle schaute, war der Schnee zerhackt und erdbeschmutzt.

Ein Specht hat mich mal sehr getröstet, seitdem mag ich diese Vögel besonders gern.



07.01.02


Zufällig stellte ich fest, daß die Postkartenseite nicht richtig funktionierte. Nach Stunden des Grübelns, Ausprobierens und Fast-Verzweifelns ist jetzt alles in Ordnung.





Wer, wie ich heute, sich am Nachmittag von der anstrengenden Computer- und Hausarbeit ausruhen mag, wer vielleicht grad auf der Suche nach einem Zertifikat über sein virtuelles Ich ist, wer schon immer wissen wollte, wer er ist (oder sein könnte) - dem sei diese Seite empfohlen.



virtuellesich

"Dies ist die Lebensgeschichte von Älis, einer rätselhaften Frau. ihr Leben ist geheimnisumwoben, und fast keine der Tatsachen, die man über sie erfahren kann, sind verbürgt. Alles rankt sich um Berichte Dritter, Vermutungen, Interpretationen und Kolportagen. Die folgende Darstellung dagegen entstand ausschließlich auf Grundlage primärer Quellen und nachweisbarer Wahrheiten. Über Älis' Vergangenheit ist wenig bekannt. Man sagt, ihre Kindheit war unglücklich und entbehrungsreich. Körperlich war Älis auf den ersten Blick unauffällig. Sie besaß geradezu ideale Proportionen. Auffällig jedoch war die völlige Störung ihres Kurzzeitgedächtnisses, die ein Zusammenleben mit ihr sehr anstrengend machte. Älis' Charakter ist schwer zu beschreiben. Zum einen hatte sie etwas majästätisches, über den Dingen schwebendes an sich, zum anderen galt sie gemeinhin als unnahbar und trocken. Stets plagte sie das Fernweh, und ihr Blut sehnte sich nach dem Kerosin der Flughäfen, dem Diesel der Autobahnen und dem Ruß der Bahnhöfe. Ihre Überzeugungen waren sonderbar. Sie hielt dies alles für mehr oder weniger irreal, und aus diesem Gedanken zog sie ihre eigentümliche Heiterkeit, die selbst wie nicht von dieser Welt schien. Politisch hingegen war Älis ultralinks, was zu einem gewissen Maße aus ihrer Mittellosigkeit erklärbar erscheint, die sie stets den Verhältnissen, niemals jedoch ihren eigenen Umständen zuschrieb."

Der Text ist viel länger, aber den Rest spar ich mir und dem Leser :-)




Lange Ladezeit, die aber nicht umsonst ist: Die Muppets





05.01.02


Die Lust zu sein, oder warum Älis so zufällig findet!


Es ist so kalt. Dasitzen und warten. Die Zeit wird schon verstreichen. Es passiert nichts. Ich könnte mich bewegen, ein paar Schritte gehen oder zum Buch greifen. Doch es ist zu kalt.
Es schwebt eine weiße Flaumfeder durch die offene Tür, tänzelt ein wenig hin und her, auf und ab, bevor sie sich vor mir auf dem Tisch niederlässt. Ich betrachte sie, sie betrachtet mich, noch ein Aufbäumen, zentimeterhohes Schweben, dann endgültiges Ruhefinden auf der Tischplatte.
"Hallo" sagt die Feder, "hallo" sage ich.





Zwei Frauen steigen vor mir aus dem Zug aus, die eine sagt erstaunt zur andren: "All, is des da warm - des is doch da viel wärmer als drin in der Stadt! - a so a Wärm!"
Es hat geschätzt - 8°C. Ich halte es für durchaus möglich, daß es "drin in der Stadt" - 12° hatte. Alles ist relativ.





Und dann komme ich auf meinem Weg noch an diesem Auto vorbei. Mit ausgeschaltetem Motor, aber heller Innenbeleuchtung steht es am Straßenrand, die Scheibe der Beifahrertür ist herabgelassen, ein Mann steht an diesem Autofenster und sieht unbewegt hinein. Von drinnen dröhnt ein Bariton (?), voll und klar: "Deutschländer Würstchen, Deutschländer Würstchen ... darammtatatata, darammtatatataaaa ..." Ich verrenke mir fast die Augen, um meinen Verdacht bestätigt zu sehen. Es ist kein Radio, da drin sitzt jemand, vor sich hin singend.



04.01.02


Blut, schauspielern, Euro, großer Raum für meine Gedanken, Azteken?, der Seele freien Raum lassen, Blutopfer, Formulare, Unart, es drauf anlegen, Händedruck, "mal wieder geschafft", anlächeln, Wärme in künstlichen Perlen speichern, jämmerlich, Rauhnächte, verschweigen, blutig, wer steht schon gerne nackt vor Angezogenen?, rein dienstlich, Engel auf der Straße finden, schwarz-weiss mit grau, sieben Jahre, Herr Dr. X-X, freuen, Magenschmerzen, Höß 47 in Polen hingerichtet, überfliessen, Sternsinger, html, geduldigsein, kichern beim Abspülen, Blut.





Die Straße entlanglaufen, ein Haus, unten eine Sparkassenfiliale, die grad photographiert wird, außerdem zwei Praxisschilder an der Fassade, ein Augenarzt und eine Sehschule. Die Sehschule, in die ich als Kind so oft musste, ich beschließe, das Haus zu betreten und mich umzusehen. Viele Leute und weitere Photographen in der Sparkasse, ich wende mich zum Treppenhaus, ein schönes altes Treppenhaus mit schmiedeeisernen Geländern, ich suche nach Bekanntem. Ein kleines Mädchen, etwa 4 Jahre alt, verlässt den Aufzug mit seiner Mutter. Quäkende Kleinmädchenstimme: "Die haben gesagt, daß ich meine Zähne noch nicht richtig putzen tu". Die Mutter erschrickt sichtlich, wendet den Blick vom Treiben in der Sparkasse zum Kind. "Die haben gesagt, daß ich das noch lernen muss". Die Mutter beugt sich hinunter, umarmt das Kind und meint, daß sie ihr dabei helfen könne. Die beiden verlassen das Gebäude, ich stehe allein am Aufzug.



02.01.02


Ein Test, viele Menschen in einer Art Hörsaal, ich befinde mich in der vorletzten Reihe zur Linken eines Unbekannten. Eine der Aufgaben, bei welcher der Humor der Testpersonen ermittelt werden soll, lautet: "Blicken Sie in einen Spiegel, notieren Sie, was sie sehen." Es ist bekannt, daß es keinerlei Bewertung des Wahrheitsgehaltes gibt, man darf schreiben, was man möchte. Glücklicherweise habe ich, im Gegensatz zu manchen andren einen Taschenspiegel dabei, hole ihn aus der Tasche und blicke hinein. Sehe mein Gesicht am Rande verschwommen, deutlich hinter mir die Testperson, die allein in der letzen Reihe sitzt. Erschrecke mit einem kleinen Aufschrei, der mir sogleich peinlich ist und glaube die Frage zu verstehen: Was befindet sich im Spiegel hinter dem Vordergründigen? Sehe im Raum vor mir auch andre das sich Dahinterbefindende erkennen. Frage mich, wie es dem Menschen hinter mir geht, der ganz dicht vor grauer Mauer sitzt (sehr aufrecht, sehr starr nach vorne blickend). Frage mich, wann ich nach hinten aufrücke.


01.01.02


Ich bin ein wenig durcheinander. Macht es Sinn, Freude in der Planung von Taten, dem Durchdenken von Dingen, der Vorstellung eines Lebens zu finden, ohne daß all dies realisiert wird? Das mit der Taube und dem Spatz ist so einfach nicht. Eine hübsche Taube auf dem Dach wäre mir allemal lieber als ein häßlicher Spatz in der Hand (ich bitte davon abzusehen, daß es keine häßlichen Spatzen gibt, ich mag alle Spatzen, vielleicht wegen dem Wallraffplatz?), ebenso wie ein netter Spatz auf dem Dach einer unfreundlichen Taube in Händen vorzuziehen wäre, und in all diese Überlegungen wurden noch gar nicht die Eulen, Kolibris und der Phoenix einbezogen.



Gestern mit dem Besuch auf der Burg, der Besuch läuft einem Photographierenden in´s Bild und sagt erschrocken, "Oh, sorry". Die Antwort des Photographierenden, ein freundliches "Grüß Gott". Hader ist überall.